Menarvis Landschaftsarchitektur Basel
Unsere Grünräume

Jetzt !

|   Garten- und Landschaftsarchitektur

Jetzt! ist der Moment die brennenden Themen anzupacken. Jetzt! wollen wir in unserer täglichen Arbeit, bewährte Muster hinterfragen. Jetzt! stellen wir die Weichen für einen visionären Umgang mit unserem Lebensraum. Der diesjährige Rapperswiler Tag wollte keine Zeit verlieren, denn jetzt kann vieles, was vor wenigen Jahren noch unmöglich erschien, plötzlich Realität werden.

Das Klima wandelt sich und mit ihm die Bedeutung des Freiraumes. Die Gesellschaft stellt neue Ansprüche an einen gerechten und nachhaltigen Lebensraum: Landschaft direkt vor der Haustüre erleben, den öffentlichen Raum vielfältig beleben, weniger Energie verbrauchen, ohne Pestizide auskommen, Biodiversität fördern, das sind die Wertvorstellungen unserer Zeit. Am Rappi-Tag wurden Arbeitsmethoden und Entwurfshaltungen von Planenden hinterfragt, um die richtigen Gestaltungsvisionen für die Zukunft zu formulieren.

Jetzt, ein Moment oder eine Ewigkeit?

Mit einem erlösenden «Jetzt» begrüsste Christoph Küffer die Teilnehmenden. Drei Jahre seien es her, seit man sich das letzte Mal vor der Pandemie physisch getroffen habe. Jeder kenne dieses Jetzt-Gefühl, das einem in Erwartung besonderer Momente elektrisiert. Herausragend sei der jetzige Tag auch weil die Landschaftsarchitektur 50 Jahre alt werde. Der Professor an der OST kündigte auf den 5. Juli eine Party an, auf die wir uns noch in 50 Jahren erinnern würden. Auch Claudia Moll verwies auf die Geburt der Landschaftsarchitektur vor 50 Jahren. Heute seien die Herausforderungen komplex. Wenn die Landschaftsarchitektur Antworten auf die dringenden und drängenden Fragen des Klimaschutzes, des Agrarwandels, der Mobilitätswende und der Biodiversitätskrise geben will, müsse sie jetzt radikal denken und agieren. Die Co-Präsidentin des BSLA verwies auf die zweite Ausgabe des anthos-Jahrbuches, das sich «Radikal» zum Thema gemacht hat. Patrick Blarer zeichnete dafür einen anderen Weg auf. Der Präsident des SIA sprach den Architekten und Landschaftsarchitekten Mut ein, sich in die Politik wählen zu lassen, um sich einbringen. Es sei wichtig, dass unsere Berufsstände wahrnehmbar würden.

Kritischer Seitenblick auf die Landschaftsarchitektur

Die Schweiz sei ein Zuwanderungsland, sie werde sich weiter verstädtern. Landschaftlich seien enorme Veränderungen im Gange. Die Landschaftsarchitekur aber wünsche sich eine schöne, grüne Welt. Nur, wie wolle sie denn ihre Ziele erreichen, ohne sich Gedanken zu machen, wie das, was sie plane, bei der Bevölkerung ankomme, fragte der Leiter des Schweizer Büros DIE ZEIT. „Wie wohnt es sich im neuen Quartier, wie erholt man sich im neu angelegten Park, wie fühlt man sich auf dem gestalteten Platz?“ wollte Matthias Daum wissen. Genügt eine wuchernde Fassade oder ein Pocket-Park, damit das Leben in den Städten lebenswert ist? Diese Fragen schienen, die Landschaftsarchitekt:innen gar nicht zu interessieren. Ohne diese gezielte Nutzerbefragung könnten viele andere Branchen gar nicht überleben. Es erstaune ihn, dass die Architektur und Landschaftsarchitektur über eine für Jahrzehnte ge- und verbaute Umgebung keine Evaluation erstellten. Hauptsache vermietet oder verkauft, der Rest ist Wurst, sei leider viel zu oft die gängige Haltung, meinte Daum.

 

«Wie wollen Sie Ihre Ziele erreichen, ohne zu hinterfragen, wie Ihre Planung bei den Nutzern ankommt?»  Matthias Daum 09.04.2022

 

Die Stadt Zürich bspw. zeichne Architektur renommierter Planenden aus, die völlig an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigehe. Auch gelänge es ihr bei Mitmach-Aktionen nur einen nicht repräsentativen Bruchteil der Bevölkerung zu mobilisieren. Trotzdem brüste sie sich die Stadt mit und für die Bewohner gestaltet zu haben. Dafür toleriere sie keine Proteste bei Fällaktionen. Es sei schliesslich ihre Pflicht für Sicherheit zu sorgen. Daran zeige sich, dass die Bedürfnisse der Bevölkerung sie nicht interessiere. Die Landschaftsarchitektur aber müsse die emotionale Verbundenheit der Menschen mit ihrem Grün für ihre Zwecke nutzen und zwar jetzt.

Schönheit durch Permakultur

Der globalisierte Konsum verändere nicht nur das Aussehen der Landschaft, er sei auch nicht nachhaltig, da er Ressourcen ausbeute. Landschaften und Ressourcen wohlgemerkt, die anderen, meist ärmeren Ländern gehörten, meinte Anton Küchler. Fasziniert von ganzheitlichen Konzepten lebt der Permakulturdesigner mit seiner Familie in einer Lebensgemeinschaft mit Selbstversorgung und Seminarbetrieb auf dem Balmeggberg im Napfgebiet (www.balmeggberg.ch). „Können wir unsere Probleme lösen, ohne unser System zu verändern?“ fragt sich Küchler. „Kaum jemand lebt noch durch und mit seiner Landschaft, wir sind alle zu Besuchern unserer Umgebung geworden.“ Permakultur jedoch, versuche, Landschaften so zu gestalten, dass Ressourcen erhalten blieben und die Mensch-Natur Beziehung gestärkt werde. Wenn die Landwirtschaft vermehrt den Höhenlinien folgen, Bäume Gemüseflächen bereichern und Konsumenten statt nur einkaufen auch selbst ihr Gemüse anpflanzen, entstehe Schönheit und Strukturreichtum in der Landschaft und Diversifikation in der Mensch-Umwelt Beziehung erklärte Küchler seine These.

 

«Ich hoffe, dass mein Wirken im JETZT eine Spur hinterlässt, die jemandem hilft, den richtigen Weg zu finden.» Eine Vote aus dem Publikum, 09.04.2022

 

Vor und nach dem Jetzt – Gedanken zu 50 Jahren Landschaftsarchitektur

In einem mitreissenden Referat, begleitet von Schalk und erfrischend provokativen Utopien beschrieb Christian Stern, emeritierter Professor die 1960-er Jahre als es in der schweizerischen Landschaftsarchitekturszene nur ein paar kleine Büros gab, kaum öffentlich präsent und ohne ausgebildete Teams. Sie arbeiteten ohne Verträge, für ein Almosen im Schatten der Architekten, kaum einmal an einem Wettbewerb. Zeichnungen waren von Hand angefertigte Unikate. Die Entwicklungen der Szene bis zum «Jetzt» seien bekannt. Aber was ist in 50 Jahren? Wie werden wir den Begriff Landschaft in Zukunft verstehen? Auf welcher Flughöhe werde man dann arbeiten: In der Raumplanung, beim Stadtmobiliar, beim Umweltschutz oder im Vorgarten? Alles sei wichtig, aber in Personalunion gehe es nicht. Auch die Ausbildung werde sich entscheiden und entwickeln müssen, ohne die Kernkompetenz, nämlich den Umgang mit dem Boden und den Pflanzen zu vergessen. Formale Ansprüche und ökologische Erfordernisse würden in Zeiten des Klimawandels für unseren Berufsstand eine grosse Herausforderung bleiben. Dabei werde man sich entscheiden, was wo zu verantworten sei, denn nicht überall könne man alles gleichzeitig wollen.

Auf Begeisterung stiessen seine gewagten Visionen. Nach Stern wird das oberste Geschoss der Tiefgarage zum Wurzelraum, denn der Baum in der Stadt wird zum mitbestimmenden Parameter. Statt Parkplatzpflicht gibt es eine Baumsetzpflicht pro Geschossfläche. Unsere Profession erarbeitet griffige SIA-Nomen, insbesondere über Baumpflanzungen. Aus Raumplanung wird Landschaftsplanung und Freiraumplanung wird zu Stadtraumplanung umbenannt. Mehr Ambiente statt trostlose Leere ist das oberste Primat. Öko-Design wird salonfähig und die Objektgestaltung vielfältiger, je nach Kontext und Nutzung entweder ökologisch-naturnah oder skulptural, spielerisch oder sehr formal. Ja, eine grüne Welt, in der das «Jetzt» lebendig wäre.