Menarvis Landschaftsarchitektur Basel
Unsere Grünräume

Landschaft bewegt die Schweiz

|   Landschaft und Gesellschaft

Bewegung und Sport in Natur und Landschaft haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Sportliche und bewegungsfördernde Aktivitäten finden immer mehr draussen statt. Gleichzeitig wächst aufgrund der hohen Besucherzahlen die Belastung auf Natur und Landschaft. Die ausgebuchte Tagung Anfang März befasste sich mit der Frage, wie qualitätsvolle Landschaft gestaltet werden könne, die gleichzeitig für Sport und Bewegung spannend ist.

Sport in attraktiven Landschaften erfreut sich grosser Nachfrage. Mit der Pandemie hat sich das menschliche Bedürfnis, sich draussen zu bewegen offen manifestiert und den Trend noch verstärkt. Schöne Landschaften tragen zur Erholung und zum Sporterlebnis viel bei. Sie seien aber keine Selbstverständlichkeit, meinte Franziska Schwarz vom BAFU in ihrer Eröffnungsrede. Vielmehr bedinge es eine beharrliche Zusammenarbeit zwischen den verschiedensten Akteuren, um die Ziele, die der Bund anstrebe zu erreichen. Hohe Natur- und Landschaftsqualitäten zu fördern und gleichzeitig die Bereiche der Bewegungs- und Sportförderung sowie Natur- und Landschaftsschutz zu stärken, liessen sich nur mit aktivem Austausch zwischen den unterschiedlichsten Fachkreisen vereinbaren. Die vom Bundesamt für Umwelt (BAFU), Bundesamt für Sport (BASPO), Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) und Bundesamt für Gesundheit (BAG) gemeinsam organisierte Tagung zog denn auch ein durchmischtes Publikum aus Sport, Gesundheit, Landschaft und Planung an.

Erkenntnisse aus der Landschaftsforschung

Landschaft sei nicht nur ein physischer Raum, erklärte Marcel Hunziker vom WSL, Landschaft sei auch ein Bedeutungsträger für die Erholungsleistung und als Bühne für gesunde Bewegung. Denn landschaftliche Szenerien, die den Menschen faszinieren, begünstigten die Stressreduktion, was erholungswirksam sei. Bewegung im Freien sei zudem wirksame Prävention. Viele nicht übertragbare Krankheiten könnten so verhindert werden. Um den zunehmenden Andrang auf die Landschaft zu bändigen, müssten die Besuchenden jedoch vermehrt gelenkt werden. Dies geschehe mit physisch-strukturellen Massnahmen, falls das Gebiet überschaubar ist. Bei weitläufigen Gebieten mit reduzierten Möglichkeiten der Kontrolle brauche es Überzeugungsarbeit mit professioneller Kommunikation, wie bspw. die Respect-Wildlife-Kampagnen für Freerider.

Jederzeit Sport für alle

Mit einer eindrücklichen Aufstellung zeigte Dr. Markus Lamprecht, Soziologe beim Schweizerischen Sportobservatorium die Veränderungen des Sports in den letzten 40 Jahren auf. Waren es in den 1980 Jahren mehrheitlich junge Männer, die in Turnhallen oder auf Sportplätzen abends oder am Wochenende klassische Sportarten als Wettkampf ausübten, sind es heute fast alle Menschen, die überall (Land, Wasser, Luft) zu jeder Tageszeit unterschiedlichste Sport- und Bewegungsaktivitäten aus verschiedensten Motiven ausübten. «Wir stellen eine Versportung der Gesellschaft fest, bei der Bevölkerungsgruppen ins Sportsystem eingeschlossen werden, die bislang nicht oder kaum Zugang zum Sport gefunden haben», meinte der Soziologe. Da Sport zu einem unglaublichen positiven Begriff gediehen ist, sei nicht nur Sport zu einem Massenphänomen, sondern auch Sportartikel zum Statussymbol geworden. «Die Verportung der Gesellschaft hat aber den Sport entsportet, bedauert Lamprecht. Es finde sich keine eindeutige Definition des Sportverständnisses mehr, wenn sogar «Jassen» als Sport bezeichnet werde. Das starke Wachstum beim (individuellen) Sport in der freien Natur führt auch zur Überlastung der Landschaft mit entsprechenden Nutzungskonflikten. Eine Erhebung aus dem Jahr 2020 ergebe, dass 40% der Schweizer Bevölkerung in der freien Natur ihrer Wohngemeinde Sport treibe, 27% in der näheren Umgebung. Bewegungsfreundliche Gestaltungen im Nahbereich, seien deshalb besonders wichtig. Dazu gehörten Umgebungsgestaltungen von Pausen- und Spielplätzen sowie Wohnsiedlungen, die die Bewegungsmöglichkeiten förderten oder der Ausbau von Wander-, Lauf- und Bike Strecken am oder nahe dem Wohnort.

Erwartungen des Sports

Welche Landschaft wünscht sich der Sport? Samuel Wyttenbach, nannte die drei wichtigsten Eigenschaften: Vielfältig, weil die Landschaft so zum herausfordernden Gegner wird. Gesund, weil nur mit sauberen Gewässern und guter Luft Sport und Bewegung gesund bleibt. Zugänglich, damit die Landschaft erlebbar und nutzbar wird. Der Sport Wissenschafter bei Swiss Olympics versicherte, dass Sportler Landschaften bewusst erlebten, da sie für den Wert intakter Landschaftsräume sensibilisiert würden. Dafür würde die Eingangsfrage auch mal umgedreht: Welchen Sport wünscht sich die Landschaft? Die Antwort liegt auf der Hand.

Landschaft in der Raumplanung

In der Raumplanung sei die Landschaft als Restraum definiert! Die Grundhaltung in der Gesetzgebung brachte Sacha Peter kurz und bündig auf den Punkt: «Die Landschaft ist zu schonen, die Siedlungen sind zu gestalten.» Der solothurnische Kantonsplaner am Amt für Raumplanung bedauerte, dass die Landschaft quasi per Gesetz dem Zufall überlassen werde. Denn nur für die Baugebiete gebe es genaue Siedlungspläne. Seinen Vortrag betrachtete er als Appell an die (kantonale) Raumplanung zukünftig im Landschaftsraum mehr Verantwortung zu übernehmen. «Das Geschehen lassen» führe je länger je mehr in eine Sackgasse. Da die Bedürfnisse nach Naherholung immer grösser und vielfältiger würden und die Entflechtung der Nutzungsbedürfnisse immer anspruchsvoller, müssten Schutz- und Nutzungsaspekte zusammen gedacht werden. Ein nützliches Werkzeug hierfür sei die Definition von Fokusräumen, in denen eine bestimmte Nutzung gezielt unterstützt werde, ohne eine andere gänzlich auszuschliessen. Im Fokusraum «Naherholung» bspw. könnten Parkplätze vorhanden sein und Lärm toleriert werden, was im Fokusraum «Natur» unerwünscht sei. Anhand des Flussraumes Aare-Emme und der Bike Strecke auf dem Weissenstein zeigte Peter auf, wie wichtig es ist, bei der Planung solcher Erholungsgebiete alle Interessengruppen von Anfang an zu involvieren und Entscheidungen erst dann zu fällen, wenn tragfähige Lösungen vorlägen.

Dem Spannungsfeld Mensch-Natur widmete auch Cathrine Strehler-Perrin vom Amt für Umwelt VD in ihrem Referat Beachtung. Das Gleichgewicht zu finden zwischen der Erhaltung sensibler Naturräume und den Erwartungen der verschiedenen Nutzer nach Vielfalt, Rundwegen, Ruhe, Bewegungsfreiheit und gar Belagsoberflächen sei eine Herausforderung. Am Creux- du-Vant bspw. kämen sich gar Landwirte mit Erholungssuchenden ins Gehege, da sich diese durch den Besucheransturm in ihrer Arbeit gestört fühlten. Weitläufige und anziehende Landschaften könnten jedoch nicht immer gänzlich unter Schutz gestellt werden oder 24 Stunden kontrolliert werden. Mit dem Ansatz der «geteilten Raumnutzung» versuche man deshalb einerseits Ruhezonen für Fauna und Flora zu schaffen, anderseits durch gezielte Lenkungen zeitlich und räumlich begrenzte Zugänge für Besuchende zu schaffen.

Umwelt in der Gesundheitsstrategie 2030

Menschen in der Schweiz sollen in einem gesundheitsförderlichen Umfeld leben und von einem qualitativ hochwertigen Gesundheitssystem profitieren dürfen, fasste Roy Salveter vom BAG die gesundheitspolitische Strategie des Bundes zusammen. Dabei spielten intakte Natur- und Landschaftsräume eine überragende Rolle, denn es sei wissenschaftlich belegt, dass sie Bewegung förderten, das Immunsystem stimulierten und psychische Erkrankungen und Herz-Kreislauf Versagen reduzierten.

 

«Wenn man gesund ist, hat man tausend Wünsche, wenn man krank ist nur noch einen.» Roy Salveter, 09.03.2022

 

Geradezu eingebettet in die nationale Gesundheitsstrategie ist die Vision der Wirtschaftsregion Sursee-Mittelland eine starke Sportregion zu werden. Für die erfolgreiche Schaffung nachhaltiger Räume für Bewegung, Sport, Gesundheit und Freizeit genügten detaillierte Pläne nicht, wusste Beat Lichsteiner. Es müssten die entsprechenden regionalen und kommunalen Strukturen geschaffen werden, bspw. mit der Einberufung eines regionalen Sportdirektors, der für die Vernetzung von Menschen und Ideen verantwortlich zeichnet. Mit Veranstaltungen und Arbeitssitzungen unter Bauvorsteher und Raumplaner würden weitere Kompetenzen und Netzwerke aufgebaut, wusste der Geschäftsführer des RET zu berichten. Um mit solchen komplexen Vorhaben Erfolg zu haben, müssten auch die entsprechenden Ressourcen und Finanzen bereitgestellt werden. Am Schluss brauche es nur noch Mut loszulegen.