Menarvis Landschaftsarchitektur Basel
Unsere Grünräume

Gemeinschaftswerk Baukultur

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Das Departement Architektur Bau Landschaft Raum der Ostschweizer Fachhochschule OST lud gemeinsam mit dem Schweizer Heimatschutz SHS zu einer Tagung Mitte September nach Rapperswil SG ein. Hochrangige Vertreter aus Politik, Behörden, Verbände und der Bauwirtschaft erörterten, wie hohe Baukultur entstehen kann.

Mit der 2018 verabschiedeten «Deklaration von Davos» - als starkes politisches Signal - hat Baukultur neuen Schwung erhalten. Für die Aufgabe hohe Baukultur zu erschaffen, brauche es gemeinsame Visionen, die gegenseitige Sensibilität für unterschiedliche Werte und der Wille, die nötigen Wege gemeinsam zu beschreiten, meinte die Tagesmoderatorin Karin Salm zur Eröffnung der Tagung.

Auch Dr. Margit Mönecke, Leiterin des Departementes Architektur Bau Landschaft Raum an der OST vermittelte in ihrer Begrüssungsrede drei wichtige Gedanken. Erstens stehe die Gesellschaft mit dem Klimawandel, dem Ressourcenverbrauch und der demografischen Veränderung vor riesigen Herausforderungen. Die Fragen nach der idealen Siedlungsform, der Art der Mobilität, der Wahl der geeigneten Materialien und dem Aussehen unserer Landschaft würden jeden betreffen und beeinflussen. Zweitens könne unser Lebensraum vor dem Hintergrund dieser komplexen Problemfelder nur interdisziplinär geplant werden. Deshalb gäbe es an der OST ein Departement in dem Vertreter von Bau- Landschaft- und Raumkultur zusammensitzen. Letztlich wünschte sich die Professorin, dass es bald konkret würde und freudvolle Umgebung entstünde. Hierfür biete diese Tagung mit persönlichem Austausch die optimale Grundlage.

Ein kleines Dorf mit Vorreiterrolle

Mit drei prägenden Bildern belegte Stephan Kunz, Geschäftsführer des Schweizer Heimatschutzes, wie die industrielle Entwicklung uns über den Kopf gewachsen ist. Städte wucherten und die Schweiz habe aufgehört Landschaft zu sein. Er plädierte, den Weg des fragmentierten Bauens zu verlassen hin zu einem Gemeinschaftswerk. Valendaz im Safiental sei ein schönes Beispiel einer funktionierenden Dorfgemeinschaft mit 300 Einwohnern und einer gemeinsamen Vision. Erfolgreich werde hier am Dorfleben und der Baukultur gewerkt. Kunz war überzeugt, dass Baukultur systematisiert werden sollte, um sie messen zu können. Sogar beim Wein gäbe es Rankings, was zur Diskussion und Qualität beitrage.

Kein Top Down (?)

Auch beim BAK sieht man es ähnlich wie im Dorf Valendaz. Bauen soll als kultureller Akt verstanden werden, meinte Oliver Martin vom Amt für Kultur BAK. Deshalb sei die «Strategie Baukultur» des Bundes auch in diesem Departement angesiedelt. Trotzdem sei sie Departement übergreifend. BAK, BAFU, ARE, ASTRA, etc. arbeiteten zusammen, um dem Bund in Sachen Baukultur zu einer Vorbildfunktion zu verhelfen. Ziel sei es, das Thema in der Schweiz möglichst breit zu streuen und Standards zu setzen. Als Leiter der Sektion Baukultur freute sich Martin darüber, dass der Begriff daran ist, sich zu «mainstreamen» - vor fünf Jahren habe noch niemand darüber gesprochen. Auch das Bundesamt für Umwelt BAFU sorgt mit seinen Diensten in der Landschaftsberatung für Gemeinden und der Vergabe des «Prix Lignum», dass gute Baukultur in aller Munde kommt - und bleibt.

Die Bundesämter wissen, dass Bauen stark regional geprägt ist. Deshalb wollen sie die «Strategie Baukultur» des Bundes nicht von oben herab implementieren. Vielmehr wollen sie genau hinhören und erklären. Moll beschrieb das Kommunikationskonzept treffend mit den Worten: «Vom Wissen, zum Machen, zum Mögen.»

Den schönen Worten wollte ein Bauverwalter aus dem Publikum die ungeschminkte Realität entgegensetzen. Die Knochenarbeit sei bei der Umsetzung gefragt. Es sei oftmals schwierig die eingereichten Projekte auf ein anständiges Niveau zu bringen, der Aufwand dafür sei beträchtlich. Sie versuchten zwar die Bundesstrategie zu leben. Bei der Umsetzung auf lokaler Ebene nütze diese leider herzlich wenig!

Auf der Suche nach guter Baukultur

Studierende der Architekturwerkstatt St. Gallen haben sich in der Stadt Rapperswil-Jona auf die Suche nach guter Baukultur gemacht. Die Analysen dreier Orte wurden vorgestellt und in der Folge durch eine Runde von ExpertInnen vorgestellt.

Der Hauptplatz in Rapperswil wurde am besten benotet. Altstädte seien privilegiert, da mittelalterliche Baukultur weniger kritisch beurteilt würde als zeitgenössische, meinte Dr. Thomas Hasler, Partner bei Staufer Hasler Architekten in Frauenfeld. Die barocke Freitreppe beschrieb Thomas Furrer, Leiter für Raumentwicklung Nidwalden, als wunderbares Gestaltungselement, das eine Bühne für nicht alltägliche Nutzungen biete und ein beliebtes Fotosujet sei. Bemängelt wurden hingegen die vom Platz teilweise abgewandten Gebäude, was durch den Schriftzug verstärkt werde. Auch wirke der Platz durch die fehlende Begrünung karg und wenig einladend.

Heftige Kritik riefen die Verkehrsbauten am Bahnhof Jona hervor. Sie ähnelten einem Kraken und seien ein Monstrum der föderalistischen Schweiz, wo zu vieles nebeneinander statt miteinander erfolge. Professor Gunnar Heipp, Leiter des Institutes für Raumentwicklung an der OST pflichtete ihnen bei. Die Verkehrsbauten seien kein Gemeinschaftswerk, hier fehle die Gesamtvision und Langfristplanung. Er fragte sich, weshalb es denn so geworden ist, wenn es ja niemandem gefalle. Darauf erwiderte Furrer: «Jede Zeit kann nur in seiner Zeit handeln, denn damals in den 1970-er Jahren wollte man alles entflechten».

Das Jonerfeld mit Seeanstoss und Sportkomplex, wurde ebenfalls heftig kritisiert. Diese Landschaft am Siedlungsrand sei von der Stadt sukzessive aufgefressen worden. Die Bevölkerung verfüge bloss über zwei bescheidene Seezugänge und das Seebad Stampf sei nur in der Saison erlebbar. Für jede Nutzung werde ein Zaun errichtet. Heipp meinte, dass das öffentliche Interesse und dessen Durchsetzung Ziel hoher Baukultur sein müsse. Es gehe nicht an, dass Seeufer in private Hände fielen, denn de facto käme das einer Privatisierung der Erholung, resp. dem Verlust einer Freiheit gleich.

«Die Verschandelung des Jonerfeldes ist eine Schweinerei, denn so sieht nicht nur das Jonerfeld aus, so sieht die ganze Schweiz aus!» ärgerte sich Hasler. Die Gemeinden sähen nur ihre monetären Interessen, planten für sich und nicht für den schönen, gemeinnützigen Raum, fügte der Architekt hinzu. Da die Raum- und Zonenplanung ewig sei, müsse hier der nächste Gletscher durch, um die Fehplanungen rückgängig zu machen, schloss Hasler gewohnt pointiert! Es brauche einen Perspektivwechsel, war Dr. Claudia Moll überzeugt. Die Leiterin der Sektion Landschaftspolitik am BAFU plädierte dafür, Freiräume von der Landschaft und nicht mehr von der Stadt her zu planen.

Baukultur aus Sicht der Bauakteure

Der Druck zu bauen sei enorm. In Zeiten negativer Zinsen, in welcher für gespartes Geld täglich «gebüsst» werde, müsse der Geldzufluss so rasch wie möglich investiert werden, befanden alle Vertreter der Bauproduktion. In einem derartigen Umfeld ökonomischen Druckes interessieren sich viele Investoren nicht für hohe Baukultur, denn dafür brauche es Zeit, wusste Caspar Schär, Generalsekretär vom Bund Schweizer Architekten.

Dass Arealentwicklung grundsätzlich Zeit brauche, wusste auch Susanne Zenker, Leiterin Development bei SBB Immobilien. Oft vergingen 10-15 Jahre bis man wisse, ob eine Planung für ein Quartier funktioniert habe. Wichtig dabei sei eine gemeinsame Zielsetzung, die richtigen Planer an Bord und der Einbezug der Bevölkerung im Rahmen eines Mitwirkungsverfahrens. Für eine Verankerung der Partizipation im Gesetz, wie es Basel-Stadt bereits praktiziert, plädierte Matthias Brüllmann, Gründer des Vereins Zukunft Klybeck. Dies sei Bestandteil von Baukultur.

Den Massstabswechsel machte Balz Halter, CEO bei Halter AG. «Seit fast 100 Jahren wird kein Städtebau mehr betrieben, alles fokussiere sich auf die Infrastruktur. Auf Stadtplanung wollen sich viele nicht mehr einlassen», beklagte der Immobiliendienstleister. Die Lösung für hohe Baukultur sah er im Wettbewerbsverfahren nicht nur für ein Gebäude, sondern auch für ein Quartier oder gar eine ganze Stadt. Er verwies hier auf den internationalen Architekturwettbewerb von 1915 für «Gross-Zürich». Man solle besser langfristig strategische Lösungen erarbeiten, als nur anstehende Probleme zu lösen und sich in komplexen Bewilligungsverfahren zu verirren.

Ein Wakker-Preis fürs Wohlbefinden

Hohe Baukultur bedeute hohe Standortqualität. Für Markus Schneider war klar: bauliche Investitionen ins Wohlbefinden haben einen namhaften ökonomischen und volkswirtschaftlichen Aspekt. Der Stadtammann von Baden weiss wovon er spricht, hat er doch für seine Stadt den Wakker-Preis geholt, weil eine dicht befahrene Strasse der Bevölkerung zurückgegeben wurde und heute als Flaniermeile floriert.