Menarvis Landschaftsarchitektur Basel
Unsere Grünräume

Hin zu einer neuen Landschaftskultur

|   Garten- und Landschaftsarchitektur

Arealentwicklungen, Siedlungs- und Infrastrukturbauten, Intensivnutzung von Agrarland oder Werben mit Landschaftsbildern. Tagtäglich werden Landschaften neu geformt, modelliert, konstruiert. Ihre Gestaltung und unsere Wahrnehmung prägen uns danach für Jahrzehnte. Anlässlich des 3. Schweizer Landschaftskongresses an der OST in Rapperswil wurden während zweier Tage die anstehenden Herausforderungen diskutiert.

Angesichts des anhaltenden Drucks auf die Landschaftsqualitäten bedürfe es einer spürbaren Veränderung im Denken und Handeln, um eine nachhaltige Landschaftskultur zu ermöglichen. Doch, was versteht sich unter «Landschaftskultur»? Mit vielen Exkursionen und Vorträgen solle diese Frage mit Menschen aus Politik, Privatwirtschaft, Forschung und Lehre ergründet werden, meinte Dominique Siegrist, Leiter ILF an der Ost. In seiner Begrüssungsrede zeigte sich Christian Leutenegger, Leiter Ressort Immobilien der Stadt Rapperswil-Jona, erfreut darüber, dass die Bevölkerung heute für Landschaftsthemen sensibilisiert ist. Vor 20 Jahren wäre es kaum möglich gewesen, grüne Projekte in diesen Dimensionen zu planen, geschweige denn umzusetzen. Auch Beat Tinner, Regierungsrat und Vorsteher des Volkswirtschafts-departementes des Kantons St. Gallen bekräftigte, dass bei ihnen die fachlichen Grundlagen und Konzeptionen «Landschaft» stehen, denn die intakte Landschaft ist ein unwiederbringliches Kapital, auf das Sorge zu tragen sei.

Valposciavo – zwischen Wandel und Heimatstil

Sie sei überzeugt, dass man Landschaftskultur erleben müsse, deshalb nahm uns Claudia Moll, Co-Präsidentin des BSLA mit auf eine virtuelle Reise durch die Schweiz in drei Etappen. Mit einem berührenden Film über das Puschlav zeigte uns der erste «Reiseleiter» sein Verständnis von «Landschaftskultur» auf. Cassiano Luminati, Direktor des Alpinen Kompetenzzentrums für Regional-entwicklungsprojekte, stellt mit viel Engagement die (produktive) Landschaft ins Zentrum seiner regionalen Entwicklungs-strategie. So entstand das Konzept des Smart Valley 100% Bio Valposciavo. Heute liegt die Biopruduktion gesamtschweizerisch auf 17%, im Kanton Graubünden auf 67% und im Puschlav auf 96% wusste Luminati zu berichten. In zwei Jahren sollen die letzten Höfe auf Bio umgestellt sein. Dabei wolle man nicht bloss eine Touristen Attraktion, sondern allen voran gutes Einkommen generieren. Um erfolgreich zu sein, war es notwendig, die elementaren Handwerkzeuge der Landschaftskultur zu benutzen: die Landschaftsräume mussten definiert, die Kompetenzen entwickelt, die Ressourcen-verwendung geplant und die Mobilität und Governance miteinbezogen werden. Ausschlaggebend für eine gelebte und gelungene Landschaftskultur ist das Vernetzen, Koordinieren und Denken in grenzüberschreitenden Räumen.

Besonders stolz ist Luminati auf die heimische Produktion des ersten Bergöls von Ölivenbäumen auf der Terrassenlandschaft des Valpochiavos. Dieses Projekt erlang bei Befragungen in der Bevölkerung ein Toprating, sogar der Einbindung der Jugend gelang bestens. "Das materielle und immaterielle Kulturerbe der lokalen Gemeinschaft hält für mich die Landschaftskultur meines Landschaftsraumes zusammen", meinte der Referent. Ins Ungleichgewicht geratende Sektoren würden diese gefährden. Deshalb hätten sie eine Diskussionsplattform errichtet, um die Balance in ihrer Landschaft zu halten.

Die zweite Etappe der Reise führte ins Limmattal. Peter Wolf, Geschäftsleiter Regionale 2025, gab Einblicke in einen unglaublich dynamischen aber unfertigen Landschaftsraum. Den Abschluss fand die Tour de Suisse in Lausanne. Monique Keller zeigte sich erfreut darüber, wie «Lausanne Jardins» zu einem strategischen Werkzeug geworden ist, um schnell Veränderungen herbeizuführen und die Stadt zu entwickeln. "Lausanne Jardins widmet sich dem Fragilen und Kleinen und legt das Augenmerk auf jene Orte in der Stadt, die (noch) eintönig und wenig beachtenswert sind," erklärte die Kuratorin des gleichnamigen Anlasses.

Brennpunkt Wachstum

Obwohl die globale Bevölkerung von 1985 bis 2020 «bloss» um das 1.6- fache gewachsen ist, explodierte das Wirtschaftswachstum im gleichen Zeitraum um den Faktor 6.6! Einher geht laut Sascha Ismail ein enormer Ressourcenverbrauch, insbesondere in den reichen Ländern. Der Konsum in der Schweiz übersteigt das planetenverträgliche Mass um ein Vielfaches, wusste der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Akademie der Naturwissenschaften scnat zu berichten. Da Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum offenbar ein signifikantes ökologisches Problem darstellten, müsste der Verschwendung dort Einhalt geboten werden, wo sie am stärksten ist, nämlich in den wohlhabenden Staaten.

Ein problematisches Wachstum sieht auch Balz Halter, VR-Präsident der Halter AG. Da die Kernstadt nicht mehr wachsen könne und wir die äussere Landschaft schützen wollten, verschiebe sich das Wachstum in die Agglomeration. Da er als privater Entwickler nur bis an die Parzellengrenze planen und bauen könne und die Bevölkerung von heute auf morgen mit komplexen Projekten in ihrer Nachbarschaft konfrontiert und überfordert werde, richtete Halter einen eindringlichen Appell: "Wir müssen wieder Stadtplanung betreiben, wir brauchen wieder visionäre Stadtplaner und Stadtbaumeister vom Schlag eines Hermann Herter, die den Lead übernehmen, damit man weiss wohin die Reise führt." Auch die Gemeinden seien gefordert. Ihre Bevölkerung sei abzuholen und in die Diskussion mit einzubeziehen und zwar mit Bildern und konkreten Planungen und nicht mit abstrakten Zonenplänen. Verwehre man sich dieser Auseinandersetzung und idealisiere nur die idyllische Landschaft, werde die bauliche Entwicklung mangels Alternativen wieder in die äussere Landschaft getrieben und am Schluss sei jeder unglücklich, weil in den Agglomerationen weder eine klare Stadt noch klare Landschaft erkennbar sei.

Wohin mit Photovoltaikanlagen?

Sie interessiere sich für Landschaft und liebe Elefanten. "Was hat das miteinander zu tun? Nichts!", meinte Alice Lambrigger. Mit diesem einführenden Schalk hatte die Umweltingenieurin BSc die Aufmerksamkeit ihres kurz verdutzten Publikums meisterhaft auf ihre Thematik gelenkt. Ihre Masterarbeit «Photovoltaikanlagen und Landschaft im Wallis» gibt einen Überblick über die landschaftlichen Auswirkungen von PV-Anlagen in ihrem Bergkanton. Ergänzt wird ihre Arbeit mit einer Übersicht über mögliche Standorte für deren Installation. Dafür hat sie ausserhalb bestehender Schutzgebiete und landschaftlicher Konfliktflächen sieben Untersuchungsgebiete ausgewählt. In jedem Untersuchungsgebiet hat Lambrigger die Landschaftsbildqualität mittels qualitativer Kriterien in einer Punkteskala bestimmt. Durch fotorealistische Visualisierungen von PV-Anlagen hat sie anschliessend deren Auswirkungen auf die Landschaftsbildqualität mittels einer qualitativen Beurteilung analysiert. Anhand der Resultate konnten folgende landschaftlichen Prioritäten für die Installation von PV-Anlagen im Wallis festgelegt werden:

Mit Priorität 1 sieht die Autorin bestehende Dächer und Fassaden von Gebäuden als sehr geeignet. Gebiete mit geringer Landschafts-bildqualität wie bspw. Lawinenverbauungen oder Autobahnen, - sogenannte Naturgefahren- und Transportlandschaften – werden mit Priorität 2 beziffert. Energie- und Infrastrukturlandschaften wie Stauseen oder Skigebiete favorisiert Lambrigger in dritter Priorität, da diese Gebiete bereits eine mittlere Landschaftsbildqualität aufweisen. Auf PV-Anlagen ganz verzichten solle man hingegen in Gebieten mit hoher Landschaftsbildqualität und in Schutzgebieten. Kantonale Planungen grosser PV-Anlagen in nicht sensiblen Landschaftsräumen erachtet die Umweltingenieurin als weniger störend als viele kleine in schönen Landschaften.

…und was ist nun Landschaftskultur?

"Mensch und Landschaft haben sich in ihrer Evolution wechselseitig beeinflusst, wobei Landschaften als Ganzes nie bewusst gestaltet wurden" meinte Beate Wessel, Direktorin bei der WSL. Landschaftskultur sehe sie als einen bewussten und reflektierten Umgang mit Landschaft, wobei eher unsere Bedürfnisse für die Qualität von Landschaften massgebend sein sollen als fixe Leitbilder.