Menarvis Landschaftsarchitektur Basel
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Biodiversität im Einklang mit Landschaftsästhetik

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Die Kulturlandschaft des Klosters Schönthal im Kanton Baselland hat sich zu einem Modell im Sinne des UN-Programms «Harmony With Nature» entwickelt. Im Rahmen des «Festivals der Natur» lud die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL), an einer Exkursion Anfang Sommer, zum Eintauchen in eine Welt im Einklang ein.

Selten sind sie geworden, jene Orte in der Schweiz, in die sich in die Einsamkeit entfliehen und in die Urklänge einer Landschaft eintauchen lässt. In der Kulturlandschaft des Klosters Schönthal gelingt dies in weiten Teilen. Gestützt auf ein Landschaftsschutzkonzept entstand gemeinsam mit einer Fachkommission auf 100 ha ein Demeter-Bauernbetrieb, der Landwirtschaft, Biodiversität und Kunst auf einzigartige Weise miteinander verbindet und so den geschichtsträchtigen Lebensraum ästhetisch zum Erblühen bringt. In diese, für viele Menschen fremd gewordenen Welt, entführte uns der Präsident des SL unter den begleitenden Rufen des Grünspechts.

Landwirtschaft im Dienst der Landschaft

Im 12. Jhd erbaut, war das Kloster Schönthal ein kleines aber wichtiges Benediktiner Frauenkloster. Heute ist das Landgut mit Hof, Kloster und Kapelle in Privatbesitz und ein kultureller und spiritueller Begegnungsort mit weitläufigem Skulpturenpark, Wechsel-ausstellungen, Übernachtungs- und Seminarmöglichkeiten.

Seit 2015 wurde das Gesamtwerk weiter ausgebaut, indem das klösterliche Hofgut unter der Leitung einer Fachgruppe aus Landschafts- und Naturschutz in einen Demeter-Betrieb überführt wurde. Wie Raimund Rodewald, Leiter der Fachkommission, erklärte, stellt sich die Landwirtschaft nun in den Dienst der Landschaft und nicht umgekehrt. Das heisst, die landwirtschaftliche Produktion wird massgeblich davon bestimmt, welchen ökologischen und ästhetischen Beitrag sie für die Landschaft leisten kann.

Ein Beseelungskonzept

Landschaft, Landwirtschaft, Ästhetik und Biodiversität vereinen zu wollen, sei kein Widerspruch, zeigte sich Rodewald überzeugt. Es werde aber dort zum Gegensatz, wo die Strategie nicht genau durchdacht wurde. Bei der Erarbeitung des «Landschaftsmodells Kloster Schönthal» suchte Rodewald nach den Kräften dieses Ortes. Ein geschichtlicher Überblick, Stiche vergangener Maler, alte Flurnamen wie «Höll» und «Paradiesli», der markante «Ankebolle» und ein gewichtiger Altbaumbestand waren die Ingredienzen, um Charakteristiken wieder zu akzentuieren, Vielfalt zu vergrössern und so zu gestalten, als ob es schon immer so war. Da Landschaften weitläufig denaturiert sind, sei es wichtig ihnen mit Beseelungskonzepten ihr Leben zurückzugeben.

Sowohl ökologisch wie auch ästhetisch zeigen die Massnahmen Wirkung. Seit der Aufgabe der konventionellen Landwirtschaft haben sich neue Vogelarten angesiedelt. Birdlife CH zählte neulich 59 Arten. Zielarten sind der Neuntöter und Baumpieper sowie die Gartengrasmücke. Unregelmässig bestockte Bachläufe, Abmagerungen von Wiesland und Transektstreifen für Insekten entlang von Waldrändern brachten einen signifikanten Gewinn für die Vogelpopulation. Rodewald hatte nicht unrecht, mit dem Hinweis, die Landschaft sähe nach den Massnahmen des Landschaftskonzeptes nun beinahe so aus wie auf dem alten Stich, den er eingangs gezeigt hatte. Filigrane Rodungen, gezielte Aufwertungen der Fliessgewässer, die Pflanzung von 100 neuen Bäumen, die Wiederherstellung von Trockenmauern aber auch der Einsatz von Holzzäunen und die Beweidung durch Ziegen am Waldrand haben dem Ort malerische Lebenslinien ins Gesicht gezeichnet. Lucius Burckhardt, Kenner schöner Landschaften, hätte wahre Freude.

Promenadologie oder die Landschaft spazierend wahrnehmen

Im 19. Jhd. haben die ehemaligen Besitzer Merian-Wackernagel auf ihrem Landgut viele Bäume gesetzt. Rodewald schwärmte von diesem Baum-Monument-Gebiet. Im Landschaftskonzept ist vorgesehen, eindrückliche Solitäre freizustellen und sie mit vorgelagerten Obstbäumen zu ergänzen. Nicht nur setze dieses Spiel von Licht und Schatten schöne Akzente, auch ökologisch gesehen, brauche der Baumpieper in seinem Lebensraum vorgelagerte Bäume vor grossen Baumkulissen. Auch auf die merkwürdige Föhrengruppe machte uns der Exkursionsführer aufmerksam: «Sieht sie mit ihren einseitig ausladenden Ästen nicht aus, wie ein stehen gebliebener Sturm?»

Das wahre Herz der Biodiversität und eigentliches Arkadien liegt aber im «Paradisli». Abgeschieden hinter der Klus, am nördlichsten Rand des Landgutes, bei der hochgelegenen Linde eröffnet sich dem Ohr ein Ruheort und Klangraum par excellence. Das Rauschen des Baches vermischt sich hier mit dem Gesang der Drossel, ferne Viehglockentöne vermengen sich mit nahem Insektensummen. Und das Auge erblickt eine friedfertige Landschaft mit extensivem, leicht verbuschtem Weideland - den Neuntöter erahnend. Aus den lichten Waldrändern springen neugierige Ziegen über Kraut und Stein. Doch um dieses Bild wie aus der Arkadien-Malerei zu erreichen, mussten Denkmuster aufgebrochen werden. Bspw. wurde der Förster buchstäblich umgepolt, indem man ihn beauftragte die knorrigsten sprich ökologisch und ästhetisch wertvollsten Altbäume stehen zu lassen und die eintönigen, monetär vielversprechendsten Jungbäume zu entfernen.

Um die Landschaft auch akustisch geschmeidig zu gestalten, wurden die Klus und sein Bach klanglich aufgebessert. Die minimalen Eingriffe im Bachlauf wurden unter der Anleitung eines Musikers vorgenommen, der das Staccato und Crescendo, das Plätschern und Murmeln des Wassers mit feinem Gehör intensiver wahrnimmt.

Der ehemalige Fischteich des Klosters liegt versteckt hinter Gestrüpp und Schilf. Rodewald will ihn der Landschaft zurückgeben und wieder sicht- und erlebbar machen. Durch das Ausbaggern soll sein ökologischer Wert gesteigert werden. In Kombination mit der gegen den Willen des Tiefbauamtes erkämpften Erhaltung und Ergänzung der Obstbaumalle wird das Klostergut noch reicher erstrahlen - und der ansteckend lachende Ruf des Grünspechts bleibt uns erhalten.