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Lebendiger Erfahrungsaustausch auf dem Friedhof Rosengarten

|   Landschaft und Gesellschaft

Die diesjährige «ERFA-Tagung Friedhöfe» begrüsste ihre Teilnehmenden auf dem Friedhof Rosengarten in Aarau. Organisiert von der Arbeitsgruppe Friedhöfe der Stadt Aarau und der Stadtgärtnerei Luzern sorgte sie mit einem Paket an spannenden Themen für einen abwechslungsreichen und wissensbeladenen Tag.

Morgens um neun, mit Gipfel und Kaffee zwischen den Händen, geduldig das tröpfelnde Eintreffen der Teilnehmenden beobachtend, liess sich noch nicht erahnen, dass der Friedhof Rosengarten zum Schauplatz eines lebendigen Erfahrungsaustausches werden könnte. Zu diesem Zeitpunkt lag alles noch vor uns: das packende Inputreferat von Walter Glauser über die verschiedenen Glaubensrichtungen, die ausdrucksstarken Bilder von Herbert Guntelach über verwahrloste Friedhöfe, die Erklärungen des Baumpflegers Walter Wipfli zur «Baumsprache» oder die von ansteckender Motivation geprägten Erläuterungen der Friedhofsgärtner über ihre reichen Staudenbepflanzungen.

Bestattungskultur der verschiedenen Glaubensrichtungen

Die fünf Weltreligionen liessen sich in zwei Stränge unterteilen, wusste Walter Glauser, Leiter des Friedhofs Bern. Zu den Abrahamitischen Religionen gehörten das Christentum, der Islam und das Judentum. Diese kennen nur einen Gott und nur ein Leben. Ihre klaren Regeln sind in den heiligen Schriften aufgezeichnet. Der Hinduismus und der Buddhismus, zählen zur Vedischen Religionsgruppe. Sie kennt keine Schriften, nur die mündliche Überlieferung. Es sind Religionen, die ihren Gläubigern keine Regeln aufstellen und fordern, sondern einen Lebensstil aufzeigen, welcher dem Menschen gut tun würde.

Das Christentum, mit 2.3 Milliarden Anhängern die grösste Religion, kennt die Erd- und Feuerbestattung. „Seit die Katholische Kirche 1963 die Kremation erlaubte, haben die Feuerbestattungen markant zugenommen“, erzählte Glauser. Der Anteil liegt heute bei rund 90% verglichen mit der Zeit zur Jahrhundertwende, als dieser unter 10% lag. Eine Ausnahme bildet die christlich-orthodoxe Bestattungskultur. Sie kennt ausschliesslich die Erdbestattung mit ewiger Grabruhe und die Trauerfeier am offenen Sarg.

Das Judentum, mit 15 Millionen Anhängern die kleinste Gemeinschaft, pflegt in seiner Bestattungskultur einige Rituale. So soll mit der Waschung des Leichnams (Tahara) die Seele einen reinen, geistigen Status wiedererlangen. Ein Sack mit Sand aus Jerusalem, auf dem Kopf des Toten gesetzt, soll ihm die Sünden erlassen. Mit Leichentüchern werden die Verstorbenen zur Bestattung eingewickelt, wobei sich heute immer mehr der einfache Sarg durchsetzt. Eine Grabbepflanzung ist in der jüdischen Tradition nicht üblich, stattdessen werden kleine Steine auf die Grabplatten gelegt.

Mit 1.6 Milliarden Anhängern zählt der Islam weltweit zur zweitgrössten Religion. 85% gehören den Sunniten an, 10% den Schiiten. Der Islam verlangt von seinen Gläubigern mindestens einmal im Leben nach Mekka zu pilgern. Die in der Schweiz lebenden Menschen aus erster Generation liessen sich meistens zur Bestattung in ihre Herkunftsländer zurückführen, dies koste rund 4000 CHF. Unsere Friedhöfe würden mehrheitlich von Muslimen aus zweiter Generation und aus Mischehen genutzt. Mit Herz und Augen sollen die Toten nach Mekka ausgerichtet sein. Der Islam kennt ausschliesslich die Erdbestattung, denn was Allah erschaffen hat, darf nicht verbrannt werden. „Bei einem Unfall im Auto oder im Haus zu verbrennen, ist für einen Muslimen das Schlimmste, “ wusste Glauser.

Im Hinduismus mit seinen vielen Göttern wird der Kreislauf von Leben und Tod durch die Wiedergeburt erhalten. Weil die Reinkarnation als mühselig empfunden werde, wolle der Gläubige diesen ewigen Kreislauf durch die Folge einer guten Tat (Karma) überwinden. Am besten gelinge dies, indem die Asche nach der Verbrennung der Leiche unter freiem Himmel in den Ganges bei Varanasi, (spirituelle Hauptstadt Indiens), verstreut werde. Den Hindus sei die Aufbahrung und das Abschied nehmen vom Toten am offenem Sarg und in einem neutralen Raum wichtig. Nach reichen Opfergaben und Klagegesängen soll der Tote mit den Füssen voran den Raum für die Kremation verlassen.

„Der Buddhismus versteht sich mehr als Philosophie, denn als Religion,“ berichtete Glauser. Die Weltzusammenhänge statt Gott zu erklären, stünden im Vordergrund. Achtsamkeit, Innerer Frieden, Weisheit, Liebe und Meditation sind die Werte wofür diese Glaubensrichtung stehe. In der Bestattungskultur finden sich mit der Aufbahrung, der Verabschiedung mit Ritualen und der Kremation ähnliche Elemente wieder, wie im Hinduismus. Dem Buddhismus sei es wichtig, dass die Seele in Ruhe gehen kann, denn auch er kennt den Kreislauf der Wiedergeburt.

Verwahrloste Gräber

„Was versteht man unter verwahrlosten Gräbern?“ wollte Maya von Dach, Moderatorin der Podiumsdiskussion von den Teilnehmenden wissen. Während Ole Meier, Abteilungsleiter Friedhof Luzern, die Verwahrlosung in einer fehlenden regelmässigen Pflege sieht, war die Sache für Rolf Steinemann, Leiter Bestattungs- und Friedhofsamt Zürich weniger klar. Dafür gäbe es keine Definition, diese sei kulturell bestimmt. Auch Alois Zuber, Landschaftsarchitekt aus Bern findet, die unterschiedliche Mentalität der Menschen müsse berücksichtigt werden, um diesbezüglich eine Antwort zu geben und stellte gleichzeitig eine Gegenfrage: „Ist Verwahrlosung wirklich die Nicht-Erfüllung einer Erwartungshaltung der Bevölkerung?“ Herbert Guntelach, Berater im Friedhof- und Grünflächenunterhalt, bemerkte am Beispiel von Zürich, dass die Grabfelder in ihrem Aussehen genau vorgegeben seien und Gestaltungsspielraum fehle, worauf die Moderatorin mit ihrem Resümee «Druck bis und nach dem Tod» den Nagel auf dem Kopf traf. Anhand ausdrucksstarker Bilder zeigte Guntelach das Gegenteil auf, nämlich, wie Verwahrlosung sehr beeindruckend sein kann. Die Vergänglichkeit werde sichtbar in diesen sich selbst überlassenen Friedhöfen aus dem Elsass, dem Kongo und aus Südafrika.

Was steht im Friedhofsreglement?

Nach diesen Ausführungen gab sich Steinemann in der Podiumsdiskussion selbstkritisch. Zu selbstbewusst würden die Beamten in der Verwaltung ohne jegliche Diskussion mit dem Volk und den Experten die Bestattungsverordnung ausarbeiten und dabei übersehen, wie sich die Kultur wandelt.

Einig waren sich alle darin, dass viele Angehörige nicht wüssten, auf was sie sich bei der Bestattungen des Verstorbenen für die nächsten 25 Jahre einliessen. Weil man zu Lebzeiten den Tod tabuisiere fehle das Wissen über Verordnungen, Kosten und Eigenheiten, was für unangenehme Überraschungen sorge.

Im Gedenken an die Toten

«Wenn das Leid nicht wäre, wär der Friedhof schön!» Damit brachte ein Trauernder zum Ausdruck wie sehr er die Bemühungen der Verantwortlichen schätzte, mit ihrer Arbeit das Gedenken an den Toten hochzuhalten. Auf den Rundgängen wurde klar, wie viel Herzblut im Unterhalt für den Friedhof Rosengarten steckt. Spürbar war das unter anderem durch die mit beeindruckendem floristischem und faunistischem Wissen ausgestatteten Ausführungen der Friedhofsgärtner über ihre Staudenbepflanzungen.

Max Jaggi, Leiter Grünflächenpflege der Stadt Aarau, erläuterte wie der Friedhof als erweiterten Lebensraum dienen soll und vermehrt in ökologischer Richtung gepflegt werde. Er erklärte, dass zur Ausnutzung ihres maximalen Lebensraumes, Bäume alt werden müssten. Bäume im urbanen Raum, welche laut Philosophie moderner Planer nach 30 Jahren aus Sicherheitsüberlegungen gerodet würden, könnten niemals denselben ökologischen Wert ausschöpfen. Ein Baum entwickle im Alter seine Persönlichkeit, was ihn uns Menschen verwandt mache, wusste Jaggi.

Einen Schritt weiter ging Walter Wipfli, Baumpfleger mit Leib und Seele. Wie ein Gesandter aus einer anderen Welt, brachte er den Teilnehmenden die Sprache der Bäume näher. „Ein Baum zeigt uns nach Aussen, wie es ihm im Innern geht“, wusste Wipfli. Mittels Rindenbildern, Harzausflüssen, Wundholz-bildungen und Zuwächsen von Schwülsten auf der Druckseite las er die Befindlichkeiten von Bäumen und stellte Diagnosen. Jaggi meinte ergänzend, dass alte Bäume stabiler seien als 80 jährige, die voll im Saft seien. Abschliessend fügte er hinzu, dass Bäume es gut mit uns meinten. Wenn sie es wirklich schlecht meinten, gäbe es unter den Menschen mehr Tote.