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ArboCityNet – es twittert im Stadtwald

|   Landschaft und Gesellschaft

Was leistet das stadtnahe Ökosystem Wald? Dieser Frage gingen Forschende im Rahmen verschiedener, international angelegter Projekte nach. Die Ergebnisse über die Bedeutung urbaner Wälder wurden an der Tagung anhand von Referaten vorgestellt und in Workshops mit vier unterschiedlichen Themen diskutiert.

In Zeiten einer - durch die Digitalisierung -zunehmend entmaterialisierten Welt tun wir gut daran, uns vermehrt der Bedeutung realer Werte zu widmen. Es scheint, es sei wichtiger geworden, dass es im Smartphone twittert, denn dass es im nahen Wald noch lange zwitschert. ArboCityNet, ein junges Netzwerk auf Vereinsbasis, setzt an diesem Punkt an, bearbeitet das Thema urbanes Grün aus verschiedenen Richtungen und sucht die Verbindung von Stadt und Wald. Ihr Maskottchen eines mit einem Wohnblock tanzenden Baumes ist fast schon zu ihrem Logo geworden.

Ökosystemleistungen

Andreas Bernasconi, dipl. Forstingenieur ETH und Mitglied der Geschäftsleitung von Pan Bern AG informierte über die Ergebnisse der Cost Action GreenInUrbs (weitere Infos unter: wwwgreeninurbs.com). Mit Cost Action wird eine Aktion auf europäischer Ebene bezeichnet, bei der Forschende ein Thema wissenschaftlich bearbeiten. Im vorliegenden wurde das Ökosystem Urban Forest unter die Lupe genommen und ein breit akzeptiertes Modell erarbeitet, welches den Zusammenhang zwischen dem Wohlergehen der Gesellschaft und dem Ökosystem Stadtwald aufzeigt. Bernasconi nannte einige Ökosystemdienstleitungen (engl. ecosystem service, abgekürzt ESS). Darunter versteht man die Vorteile, welche Menschen von Ökosystemen beziehen (Quelle: wikipedia). Zu den Beispielen gehörten Taschenwäldchen, die zur Verbesserung des städtischen Klimas beitrügen, mit Bäumen bepflanzte Kreisel, die nicht nur den Strassenlärm besänftigen sondern auch CO2 aufnehmen und binden würden oder malerische Wälder die inspirierende Orte bereitstellten. Das Ökosystem Stadtgrün offeriere aber nicht nur Vorteile, auf Englisch services, sondern auch sogenannte diservices, beispielsweise wenn ein Baum vor Fenstern wachse. Schatten in der Wohnung und Laubabwurf könnten als Nachteile empfunden werden. Die Gründe für das Definieren der Ökosystemleistungen sieht der Referent darin, dass sie erstens essentiell für eine nachhaltige Stadtentwicklung seien, weiter nähme die Bedeutung von ESS im Antropozän durch den Klimawandel stark zu. Schlussendlich nannte er die Notwendigkeit klarer, empirisch fundierter Aussagen, um die Erkenntnisse auf die politische Bühne zu hieven und so Veränderungen zu bewirken.

Entwicklungsvorhaben Urbaner Wald

Es gibt im Osten Deutschlands Städte, die schrumpften. Die neu entstehenden Brachflächen würden sich für die Aufforstung urbaner Wälder eignen, meinte Maxim von Gaggern, Dipl. Ing. und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Dresden. Der Referent weiss aber, dass der Stadtwald, weder Parks mit ihren sozialen Aspekten, noch Brachen mit ihrer Biodiversität ersetzen kann. Vielmehr soll er als Ergänzung betrachtet werden, der hinsichtlich ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Aspekte wissenschaftlich begleitet und weiterentwickelt werden soll. Dieses Vorgehen liefere die Grundlagen, um Urbane Wälder richtig anzulegen. Interessante Waldprojekte seien in Eisenhüttenstadt, Weisswasser, Leipzig und Halle am Laufen.

Praktische Erfahrungen

Ein Baum sei kein Einzelgänger! Andrea Gion Saluz, Msc ZFH Umweltingenieur und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ZHAW rief dazu auf, sich an den Vorbilder unserer natürlichen Wälder zu orientieren. „Ein Baum ist in seiner natürlichen Umgebung meistens in Gruppen und mit Unterbepflanzung anzutreffen“, bemerkte der Referent. Diese Erkenntnis erweise sich als ausschlaggebend, um die Vitalität von Bäumen im urbanen Bereich zu sichern. Im Siedlungsgebiet würden Pflanzen die Herausforderungen hinsichtlich Nutzungsdruck und Klimawandel nicht mehr alleine stemmen können, so die These des Workshops. Bereits sei es schwierig geworden im städtischen Umfeld einheimische Arten einzusetzen. Diese könnten die Anforderungen teilweise nicht mehr erfüllen, meinte Saluz.

Was ist unter dem Begriff „Vitalität“ eines Baumes zu verstehen? Dazu lehne man sich an den phänologischen Kalender, erklärte der Referent und beobachte bspw. wann der Baum austreibe oder sein Laub fallen lasse, wie hoch der Jahreszuwachs oder der Chlorophyllgehalt in den Blättern sei.

So beeinflusse nicht nur die Transpirationskühlung der Unterbepflanzung die Vitalität eines Baumes positiv, auch tiefwurzelnde und deshalb luftzuführende Staudenarten trügen dazu bei. Kissenartig, über den Bordstein wachsende Stauden, sogenannte Schleppenpflanzen, hätten durch ihre (Blätter-)schleppe eine schützende Wirkung gegen den Eintrag von Urin oder Salz. Zudem genössen solche Baum-Strauch-Krautschicht-Systeme eine grosse Akzeptanz und führten kaum zu Vermüllungen. Wenn man bedenkt, dass auf diese Weise zwischen Stammfuss und Asphalt Temperaturunterschiede von bis zu 50° erreicht werden können, wird einem klar weshalb nebst den Bäumen auch Menschen heisse Sommer besser überstehen.

Nebst der Unterbepflanzung übernehme das ideale (Baum-)Substrat eine wichtige Funktion. Im Siedlungsraum mit vielen überbauten Flächen, komme meistens das verdichtbare Substrat mit wenig organischem Material zum Tragen. Mit seinen vielen Kieselsteinen bildeten sich trotz Verdichtung viele Hohlräume, welche die Wurzelbildung förderten. Die gute Vitalität der Bäume in diesem Substrat verleitete in der Workshops Diskussion zu den Thesen, Bäume bräuchten weniger Nährstoffe als wir ihnen in Städten geben und auf die teuren Wurzelkammersysteme könnte eigentlich verzichtet werden. Grundsätzlich sei es wichtig, dass Wurzeln möglichst schnell in die Tiefe wüchsen. Leider führten Materialbrüche dazu, bspw. sandige Mischungen bei Ummantelungen von Leitungen, dass Wurzeln lieber ihren Weg auf die Seite nehmen.

Marie Fournier, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HESGE betonte die guten Eigenschaften von Pflanzenkohle als Beimischung in Substrate. So würden sich 5% dieser Substratkomponente wie 50% organisches Material im Substrat auswirken, bei gleichbleibender Strukturstabilität. Biokohle filtert gut, hat ein hohes Potential Nährstoffe abzugeben und speichert viel Wasser. Leider ist sein pH-Wert sehr hoch, was nicht jedem Bau passt.

Nach den Diskussionen und Arbeiten in den Workshops rundete eine Exkursion in den städtischen Aspwald die Tagung ab.