Menarvis Landschaftsarchitektur Basel
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Rund ums Dach - der Schwamm

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Die Schwammstadt ist in aller Munde. Wie sie dafür am Boden aussehen soll, wird breit diskutiert. Doch was kann das Dach zur Schwammstadt beitragen? An einem Fachvortrag von Plättli Ganz AG und Paul Bauder AG wurde das grosse Potential von Dachbegrünungen als «Schwammdächer» beleuchtet sowie Wissenswertes rund ums Dach.

Die Schwammstadt ist in aller Munde. Wie sie dafür am Boden aussehen soll, wird breit diskutiert. Doch was kann das Dach zur Schwammstadt beitragen? An einem Fachvortrag von Plättli Ganz AG und Paul Bauder AG wurde das grosse Potential von Dachbegrünungen als «Schwammdächer» beleuchtet sowie Wissenswertes rund ums Dach.

Durch den Klimawandel verstärken sich die Wetterextreme mit Dauerregen, Sturzfluten und langanhaltenden Trockenperioden. Mit der Urbanisierung verschärft sich aber auch die Versiegelung und die Entstehung von Hitzeinseln. Zu lange galt das Prinzip, den Niederschlag über versiegelte Flächen möglichst schnell und in grossen Mengen über die Kanalisation zu «entsorgen». Eine geringe Grundwasserneubildung und eine geringe Bodenverdunstung sind die Folgen. Eine grüne Infrastruktur funktioniert jedoch umgekehrt. Eine Wiese verdunstet 67% des Niederschlages, 31% versickern und bloss 2% fliessen ab. Mit dem Prinzip der Schwammstadt soll sich unsere gebaute Umwelt dem natürlichen Wasserkreislauf wieder möglichst stark nähern und somit unsere Städte vor Extremwetterereignissen schützen. Die eingebauten «Schwämme» funktionieren aber nicht nur am Boden, sondern auch auf dem Dach.

Das Dach als Schwamm

Ein Stadtbaum verdunste 300-500 l am Tag. Ein Standard Flachdach mit 100 m2 extensiver Begrünung bloss 20-50 l. Wird das extensive Gründach aber um ein Wasseranstauelement ergänzt so erhöhe sich die Verdunstungsleistung auf rund 300 l/Tag, wusste Adrian Loretz, Technischer Berater bei Paul Bauder AG. Daran erkenne man den Mehrwert eines Retentionsgründaches in Bezug zu einem normalen Gründach: Der Rückhalt des Niederschlages und der Beitrag an ein angenehmes Mikroklima sind wesentlich höher. Um die Retentionsfunktion von Gründächern zu steigern hätten sich zwei Varianten der Wasserrückhaltung etabliert. Einerseits die Variante mit reguliertem Ablauf. Paul Bauder AG bezeichnet dieses als Schwammdach. Hier wird mit gezielter Drosselung der Dachabläufe ein Stau des Niederschlages auf der Dachfläche erzeugt, der sich langsam und kontrolliert entleert. Dadurch könnten behördliche Vorgaben der Einleitbeschränkung erfüllt werden, meinte Loretz. Anderseits gebe es die Variante mit temporärem Wasserspeicher. Bauder AG bezeichnet dieses als Retentionsdach. Dieses könne extreme Abflussspitzen kurzfristig puffern und Niederschläge verzögert ableiten. Hier werde eine Drainage- oder Wasserspeicherplatte eingebaut. Die Drosselung sei nicht dauerhaft wie bei der ersten Variante, sondern um 15 Minuten verzögert. Der Abflussbeiwert C kann beim entsprechenden Systemanbieter erfragt werden. Er lasse sich durch die Aufbaustärke, den Typ des Substrates und des Retentionselementes steuern. Sei ein Abflussbeiwert von C 0.3 verlangt, so bedeute dies, dass 30% des Niederschlages effektiv zum Abfluss gelangen, erläuterte Loretz. Zudem seien gemäss SIA- Norm 312 (Begrünungen von Dächern) eine minimale Substratstärke von 8 in Basel gar von 12 cm gefordert. Stefan Hinter, Geschäftsleiter von Paul Bauder AG Schweiz, betonte, dass die minimale Substratschichtstärke in Abhängigkeit stehe zur Niederschlagsmenge in den entsprechenden Schweizer Regionen. Je weniger es in einer Region regnet, desto stärker müsse die Substratschicht sein, denn diese diene als Feuchtigkeitsspeicher und Wurzelraum für die Vegetation. 

Um nicht nur für ein einzelnes Dach die richtige Systemlösung zu eruieren, sondern gleich für eine Überbauung das Regenwassermanagement zu modellieren und auszuwerten, biete sich die Software KOSIM (Kontinuierliches - Langzeit - Simulatuions-modell) an. Gemäss Loretz simuliere es nicht nur den Regenwasserrückhalt auf den Dachflächen, sondern kombiniert es mit weiteren Massnahmen auf dem Grundstück wie bspw. Retentionsbecken, etc. und spiegelt die örtliche Regenwasserbilanz in Form von Verdunstung, Versickerung und Abfluss.

Konkurrenz für das Gründach

Das Gründach sei keine menschliche Erfindung der letzten 15 Jahre, meinte Stefan Hinter und veranschaulichte dies anhand von Bildern alter Steinhäuser oder Mauern mit Spontanvegetation auf den Dächern oder Mauerkronen. Friedensreich Hundertwasser sei der erste Architekt gewesen, der seine Gebäude reich bepflanzte, da er der Meinung war, dass man beim Bauen der Erde ihr Grün zurückgeben muss statt es ihr zu entrauben. «Der Boom nach Flachdächern muss unbedingt für die Begrünung und ihren positiven Effekten auf Wasserhaushalt und Mikroklima genutzt werden», findet Hinter. Mit der Energiewende würden aber Dachflächen für Solaranlagen immer begehrter. Er zeigte sich besorgt, dass Gründächer zugunsten der Energieförderung verschwinden könnten. Es dürfe nicht sein, dass der Bund durch die Förderung des Grünen Stromes gleichzeitig den Abbau von Gründächern begünstige. 

«Dachbegrünungen sind die Dachbedeckungen der Zukunft»

Friedrich «Friedensreich» Hundertwasser, österreichischer Künstler und Architekt (1928-2000)

Die Kombination von Gründach mit Solarnutzung bringe Mehrwert. Der Leistungsgrad der Solarmodule sei durch den Kühleffekt der Begrünung höher als bei einer heissen Kiesunterlage. Da eine Solaranlage einen Treibhauseffekt erzeuge und den Flugsamen extrem wachsen lasse, dürften die Panels nur mit einem Abstand von über 30 cm über der Vegetationsschicht montiert werden. So könne die Luftzirkulation gewährt und die Beschattung der Module durch Bewuchs verhindert werden (s. SIA 2062 Photovoltaik auf und an Gebäuden). Wurzelhemmende Matten funktionierten nicht, denn sie seien nicht UV-beständig und die Wuchskraft der Pflanze sowie ihr Drang nach Licht sei zu stark. Hinter zeigte sich überzeugt, dass sich die senkrecht aufgeständerten, bifacialen (Bed. zweiseitig beschichtet) Solarmodule in Zukunft behaupten würden. Auch wenn diese für den einen oder anderen nicht ästhetisch seien, so seien sie bei schlechten Wetterverhältnissen effektiver und der Unterhalt geringer, da Beschattungen durch Schnee und Bewuchs entfielen. Alle Solarmodule von Paul Bauder AG seien dachdurchdringungsfrei und würden nur durch die Auflast des Substrates stabil gehalten. Das notwendige, sichere Ballastieren muss vorgängig für jedes Objekt berechnet werden.

Dachflächen entwässern

Bei Terrassendächern muss gemäss SIA 271 die Neigung der Abdichtung ein minimales Gefälle von 1.5% aufweisen. Jede Abdichtung brauche einen Abschluss, so Adrian Loretz. Freistehende Abschlüsse der Dachabdichtungen seien gemäss Norm nicht erlaubt. Auch müsse darauf geachtet werden, dass die Mindestanschlusshöhe gemäss SIA 271 mindestens 120 mm über der wasserführenden Schicht heraufgezogen würde. Bei geschlossenen Gehbelägen auf Splitt bedürfe es unter der Bettungsschicht einer Drainage und die Beläge seien mit einem Gefälle von 1.5% für die Entwässerung auszuführen. Liege bei Plattenbelägen auf Splitt der Schwellenanschluss unter 60 mm müsse eine Sicherheitsrinne mit einer Mindesthöhe von 30 mm vor den Fenster-/Türöffnungen versetzt werden, mit einem direkten Anschluss an einen Regenwassereinlauf. Nur bei Anschlusshöhen > 25 mm dürften die Tür- und Fensteröffnungen einen Holzrahmen aufweisen. 

Unter offenen Gehbelägen verstehe man Plattenbeläge auf Stelzlagern. Gemäss SIA 248 und SIA 271 dürften Gehbeläge mit einer Mindestfugenbreite von 3 mm und einem Fugenanteil von 1 m/m2 ohne Gefälle verlegt werden. Vor den Tür- und Fensteröffnungen dürfe dann zudem auf eine Sicherheitsrinne verzichtet werden, falls die Fuge bei der Schwelle mindestens 10 mm betrage. Loretz empfahl ein Stelzlager mit Nivellierungskopf und Schienensystem, damit der Belag ruhig liege. Ebenfalls machte er darauf aufmerksam, dass wassersaugende Vliese unter Stelzlagern wegen der Gefahr der Tigermücken-Ausbreitung nicht mehr erlaubt seien.