Menarvis Landschaftsarchitektur Basel
Unsere Grünräume

Von grünen Dächern und Fassaden

|   Technik im Gartenbau

Die von Grün Stadt Zürich organisierte zweitägige Veranstaltung über Dach- und Vertikalbegrünung zog ein breites und interessiertes Publikum ins Bildungszentrum der Stadtgärtnerei an. So reich beladen mit Referaten und Workshops der erste Tag zu Ende ging, so spannend setzte sich die Tagung am nächsten Morgen mit einer Exkursion zu verschiedenen spezifischen Projekten rund um Zürich fort.

Die Tagung und die parallel dazu verlaufende Ausstellung «Grün am Bau» scheinen einen goldigen Zeitpunkt erwischt zu haben. Wie Christine Bräm, Architektin und Direktorin von Grün Stadt Zürich bemerkte, führten Spitzentemperaturen im 2018 dazu, dass Diskussionen über die abkühlende Wirkung von «Baugrün» vermehrt angetrieben würden. Anregende Vorträge untermauerten die Aussage der Architektin und spornten zu neuen Ideen an.

Gebäudebegrünung als Architekturelement

Fehlender Wasserrückhalt, eine starke Aufheizung, schlechte Luft, ein geringer Anteil raumbildender Grünelemente seien Gründe für eine mangelnde Umgebungsqualität im urbanen Raum. So beschrieb Nicole Pfoser, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen den Status quo vieler unserer Städte. Die «Grüne Chance» liege darin begründet, dass sie den Menschen Verschattung und Kühlung, Witterungsschutz und Biodiversität zurückgebe. Weitere Leistungsfaktoren der Begrünung seien die Filterung von Schadstoffen, die Schallabsorption oder die Minderung von Temperaturextremen.

Anschaulich zeigte sie die verschiedenen vertikalen Begrünungssysteme auf und nannte ihre Vorteile in Bezug auf Gestaltung, Technik und Kosten. Bei den bodengebundenen Fassadenbegrünungen zählte sie den flächigen Direktbewuchs mit Selbstklimmer und den leitbaren Bewuchs mit Schlinger und Ranker auf. Bei letzterem sah Pfoser die Vorteile in der grossen Pflanzenauswahl, in der Verschattung ganzer Fensterfronten und im minimalen Materialeinsatz bei vergleichbar hohem energetischem Nutzen.

Wandgebundene Fassadensysteme sind Begrünungen, welche nicht mit dem Untergrund verwurzelt sind, sondern bodenfrei entweder in Trögen oder als vorbepflanzte Wandelemente einer Fassade vorgelagert werden. Die sofortige Flächenwirkung nach der Vorkultivierung, der Witterungs- und UV-Schutz der Fassade und die Montagegeschwindigkeit dieses Systems nannte sie als herausragende Pluspunkte. Der MFO-Park in Zürich-Oerlikon gilt als Mischform aus boden- und wandgebundenen Begrünungen mit steigender und hängender Bepflanzung.

Verpflichtet das Klima zu schützen

Der Verlust von 800 km2 Vegetation weltweit und täglich führe zu einem dramatischen Rückgang der Verdunstung, wusste Marco Schmidt, Landschaftsarchitekt am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumplanung in Berlin. Da 80% (!) des Niederschlages verdunstet, sei es offensichtlich, dass die Menschen mit der Urbanisierung das Klima veränderten, denn 1m3 weniger Verdunstung führe zu 5 l weniger Niederschlag. Anhand dreier Strahlungsbilanzen zeigte er eindrückliche Verschiebungen auf. Für die Erdoberfläche liegen die Werte der Verdunstung bei 1888 Wh und einer gefühlten Wärme von 575 Wh. In Städten fällt die Verdunstung auf mickrige 123 Wh und die gefühlte Wärme steigt auf 1827 Wh. Begrünte Dächer brächten tatsächlich Abhilfe. So liege hier die Verdunstung bei 1185 Wh und die gefühlte Wärme sinke auf 872 Wh. Mit Fassaden- und Dachbegrünungen erreiche man auch für das einzelne Gebäude eine optimale Energiebilanz bei geringen Kosten. Am Ende des Vortrages mahnte Schmidt die Teilnehmenden, die grüne Branche sei verpflichtet, das Klima zu schützen. Denn wie einst die Hochkulturen aus Nordafrika und dem Nahen Osten, seien die heutigen Industrienationen daran, ihr eigenes Hochdruckgebiet zu schaffen. Ausgedehnte Wüstengebiete Marokkos waren einst fruchtbare Landschaften des Römischen Reiches.

«Sowohl als auch» statt «entweder oder»

Auch Erich Steiner, Geschäftsführer der Schweizerischen Fachvereinigung für Gebäudebegrünung ist überzeugt, dass wir mit einer reich bepflanzten Stadt Einfluss auf die negativen Veränderungen des Klimas nehmen können. Er machte sich stark für das «EnergieGrünDach». Die Kombination von Solarpanelen auf begrünten Dächern böte eine ideale Synthese mit überzeugenden Vorteilen.

Während Steiner für den Einsatz von Mittelmeer-Pflanzen eine Lanze brach, da auf den Dächern die Temperaturen für unsere heimischen Arten zu hoch seien, wies Christian Wiskemann, Inhaber von quadro gmbh auf die Vorgaben der Bau- und Zonenordnung 2015 der Stadt Zürich und dessen Stadtratsbeschlusses aus 2012 hin. Demzufolge müssen nicht als begehbare Terrassen genutzte Bereiche eines Flachdaches ökologisch wertvoll begrünt werden, auch dort wo Solaranlagen installiert sind. Als ökologisch wertvoll gelten Begrünungen mit einheimischem Saatgut und Pflanzenmaterial von Inland-Ökotypen. Der Biodiversität förderlich sind begrünte Dächer mit Substratstärken von mindestens 10 cm, aufgelockert mit Substrathügeln à 20-30 cm und Kleinstrukturen. Das enorme Potential für Artenvielfalt sei nicht von der Hand zu weisen, wenn man bedenke, dass von 510 ha Flachdächern in der Stadt Zürich ganze 400 ha nicht begrünt sind (Stand 2013) und auf 140 untersuchten Flachdächern 507 verschiedene Pflanzenarten zu finden sind. Dies entspräche 40% des Vorkommens in der Stadt. Zum Schluss mahnte der Referent, Flachdächer müssten von Personal mit guten Artenkenntnissen gepflegt werden, ansonsten würden Chancen verspielt.

Interdisziplinär planen

Während Lars Ruge von Vogt Landschaftsarchitekten und Markus Fierz von raderschallpartner ihre Projekte bewarben, nutzte Roger Ingold von Ingold Gartenbau und Begrünungen AG aus Oberwil-Lieli die Gelegenheit, seine Lehren aus seinen Projekten weiterzugeben. Beispielweise wusste Ingold, dass bei periodischen Kontrollen der Schächte bereits nach wenigen Monaten meterlange Wurzeln in den Leitungen entfernt werden könnten, oder dass Blumenzwiebeln in mineralischem Substrat ungeeignet sind, da Frost diese an die Oberfläche treibe. Bei Edelstahldrähten sei auf genügende Abstände zu achten, um die Kletterpflanzen rundherum mit Licht zu versorgen. Sollen die Kletterpflanzen ihre volle Wuchskraft entfalten, müsse ihnen ein umfangreicher Wurzelraum gewährt werden. Wobei das Horizontalwachstum immer signifikant geringer ausfallen würde, als das in ihren Anlagen verankerte Vertikalwachstum. Aus seinen Ausführungen zeigte sich, dass Vertikalbegrünungen nur interdisziplinär erfolgreich geplant werden könnten.

Alles zu viel Technik, schien Peter Vetsch, Architekt aus Dietikon, in seinem Vortrag durchblicken zu lassen. Seine in die Landschaft hervorragend eingepassten Erdhäuser würden ganz simpel mit dem Baugrubenaushub wieder überdeckt und begrünt. Auf seiner Homepage unter www.erdhaus.ch finden Interessierte eine Architektur befreit von etlichen Zwängen.