Menarvis Landschaftsarchitektur Basel
Unsere Grünräume

Landschaft zwischen Sinnlichkeit und Transformation

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«Schlaraffenland» war das Thema des diesjährigen Rapperswiler Tages an der Ostschweizer Fachhochschule OST. Die Tagung suchte nach Ideen, um der landwirtschaftlichen Landschaft durch ökologische Transformation mehr sinnliche Ästhetik zu verleihen. Doch wie steht es mit unserem Willen, diese Ideen umzusetzen?

Unser üppiges Schlaraffenland befindet sich im Wandel. Schokoladenberge und gewürzte Brathähnchen werden nicht mehr günstig zu haben sein. Klimawandel, Energiewende, Artensterben und das ungebrochene Siedlungswachstum zwingen die Landwirtschaft, sich die Frage zu stellen, ob günstiges Essen im Überfluss zu produzieren noch die angemessene Antwort auf die Herausforderungen von heute ist. Und Essen ist eine innige Erfahrung, Geschmäcker sind unser zu Hause. Während wir die Früchte des Bodens geniessen, denken wir an idyllische Kulturlandschaften. Doch so wie wir uns ernähren, so verändert sich die Landschaft. Obstbäume verschwinden, wenn Fleisch- und Milchprodukte unseren Speiseplan ersetzen. Es liegt auf der Hand, dass die Vision einer attraktiven Ernährungslandschaft aufkommt. Agroforst, Fruchtfolgeflächen in Parkanlagen, Urban Gardening und Urban Farming oder «Solidarische Landwirtschaft» waren denn auch die Themen am Rappi-Tag.

Wie unsere Landschaft entstellt wurde

Erst die fossilen Rohstoffe, gepaart mit technischem Fortschritt, Kunstdünger und ökonomischem Druck, ermöglichten die maschinellen, grossflächigen und schnellen Veränderungen der Landschaft. Aber es war auch unser Staat der diese industrialisierte Landwirtschaft wollte. An der ETH wurden praktisch alle Landwirtschaftslehrer ausgebildet. Die einseitig auf Ertragssteigerung und Rationalisierung ausgerichtete Lehre und Forschung des Bundes hat sich so in der Nachkriegszeit via Landwirtschaftsschulen bis auf jeden einzelnen Betrieb ausgebreitet. Landwirte trügen an dieser Entwicklung keine Schuld, meinte Bettina Dyttrich, Redaktorin der Wochenzeitung WOZ. Vielmehr entriss diese Doktrin die Grundlage für den bäuerlichen Familienbetrieb. Stattdessen haben viele Bauern den Grundsatz «schneller, grösser, weiter» verinnerlicht. Doch durch die enorme Ausweitung der Produktivität wurden die Folgen der industrialisierten Landwirtschaft mit Überproduktion, Überdüngung und schlechter Tierhaltung unübersehbar. Die Ausdehnung der Menge wird zur einzigen Möglichkeit mehr zu verdienen, weil das Produkt billig ist. Den Landwirten bringt das kaum was. Die Suche nach ökologischen Alternativen behinderte der Bund anfänglich, wie die Referentin wusste. Erst in den 1990er Jahren schaffte eine Allianz aus Umweltschützer:innen und Liberalen den Durchbruch für Biobetriebe. Leider gelte «mehr Ökologie» nur für die Landwirtschaft. Verarbeitung, Transport und Handel seien weitgehend davon ausgeschlossen.

Wie wird unsere Landschaft wieder schön?

Mit mehr Menschen und weniger Maschinen könnte unsere Landschaft an Atmosphäre und Ästhetik zurückgewinnen, meinte Dyttrich. Die Hürden seien aber hoch, denn jene, die an landwirtschaftlicher Handarbeit interessiert wären, haben oft keinen Zugang zu Land. Weiter lebt jener prekär, der die technischen Entwicklungen nicht mitmache und die Dekarbonisierung der Landwirtschaft werde kaum diskutiert.

 

So wie wir uns ernähren, so verändert sich die Landschaft.

Claudia Moll, Co-Präsidentin BSLA

 

Hochstammobstgärten, Kastanienselven oder Waldweiden sind die alten, traditionellen Formen von Landwirtschaft. Heute heisst diese Form der Doppelnutzung von Land mit Bäumen «Agroforst». Michel Bhend, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fonds Landschaft Schweiz (FLS), sieht in dieser Kunst Bäume optimal mit Landwirtschaft zu verbinden, die Chance, insbesondere ausgeräumte Agrarflächen bäumiger, abwechslungsreicher und biodiverser zu gestalten. Agroforst bietet aber auch viele Vorteile für die Landwirten. Das Tierwohl und die Tiergesundheit erwähnt der Referent als erstes. Wenn Kühe unter Bäumen weiden bieten sie ihnen Schatten, Windschutz und Futterlaub als eigene «Hausapotheke». Die Verbesserung des Mikroklimas, die Verminderung von Erosion und die Förderung der Bodengesundheit sind ebenso nützliche Auswirkungen wie die Steigerung der Produktion durch Früchte, Nüsse und Wertholz. Agroforst eignet sich ebenfalls als Differenzierungsmerkmal in der Direktvermarktung und Kundenbindung. Jedoch sind Agroforst-Systeme komplex und mit hohen Investitionskosten verbunden. Stein- und Asthaufen bergen die Gefahr von Mäuseplagen und der Anteil an Handarbeit steigt beträchtlich. Bhend weist darauf hin, dass in der Schweiz kaum noch jemand bereit sei, Handarbeit zu übernehmen. Diese komme aus dem Ausland. Die wohl grösste Herausforderung liege jedoch darin, dass Neues in die Landwirtschaft einzubringen, kein einfaches Unterfangen sei.

Landwirtschaft findet «stadt»

Am Siedlungsrand der grössten Schweizer Stadt liegen 810 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche, davon befinden sich 700 Hektaren im Eigentum der Stadt Zürich, und sie kauft weiter aktiv zu. Zwar werde die Stadtlandwirtschaft ihre Bevölkerung nie ernähren, doch sie trage zur hohen Lebensqualität von Zürich bei, wie Bernhard Koch Fachbereichsleiter Landwirtschaft von Grün Stadt Zürich wusste. Mit Büffelmozzarella, Stadtwein, Honig, Obst, Gemüse und vieles mehr wissen die Landwirt:innen mit ihrer Bauernschläue auch die Sympathien der Stadtbevölkerung ökonomisch umzumünzen. Bereits vor 30 Jahren hätten sich weitsichtige Menschen in Zürich hohe Ziele für die Stadtlandwirtschaft gesetzt. Biodiversität solle sie schaffen, biologisch wirtschaften, zum Anfassen und Mitwirken sein und vor allem Grün- und Erholungsräume erhalten und formen. Mit den geänderten (klimatischen) Herausforderungen und dem gesellschaftlichen Wandel erweise sich dieses Konzept als goldrichtig. Über die landwirtschaftlichen Flächen strömen kühlende Winde in die Innenstadt und die Böden leisten mit ihrer Kohlenstoff-Bindung einen Beitrag zur Erreichung des Netto-Null-Zieles der Stadt. So sieht sich Koch der Agrarverordnung zwei Schritte voraus. Die nationale und kantonale Agrarpolitik beeinflusse die Stadtpolitik im Agrarbereich nicht. Sie hätten eigene Hebel um die Stadtlandwirtschaft zu beeinflussen.

Vom Schlaraffenland zum Schlaraffenpark

Das Land der faulen Affen, das Land in dem Bäume Würste tragen und knusprige Brötchen an den Sträuchern wachsen, wo gebratene Hähnchen den Schlaraffen in die Mäuler fliegen und frische Milch in den Flüssen fliesst, ist in der Malerei ein Land in dem Städte fehlen, bemerkte Florian Glowatz-Frei. Doch wie würde die Schlaraffenstadt aussehen, fragte der Landschaftsarchitekt und Mitgründer von planikum ag? Klar, durchgrünt, vielleicht mit einem ganz anderen Parktypus.

Mit dem kommunalen Richtplan führt Zürich einen neuen Parktypus ein: den landschaftlichen Park in denen gespielt, flaniert aber auch gegärtnert und geackert wird, der Biodiversität ernst nimmt und eine neue Art des Landschaftserlebens ermöglicht. In Zürich Leimbach soll mit dem landschaftlichen Park Auwies der Prototyp entstehen. Auf dem Stückchen Land an der Flanke des Entlisberges und zwischen Sihl und Industriekanal gelegen, soll in Zukunft nicht mehr klassisch Landwirtschaft betrieben werden, sondern Agroforst, solidarische Landwirtschaft, Gärtnern und urbanes Zusammenleben am Wasser den Ton angeben. Hier sollen der Städter zum Bauern und der Bauer zum Städter werden.

Wünschen erwünscht

Die Medien seien voll mit Negativschlagzeilen! Sie hätten zwar viele Bäume in Plänen gezeichnet, doch wenig davon gesetzt, klagten die Landschaftsarchitekten. Es gebe zu wenige Utopien, zu wenig Hoffnung! Kay Strasser und Marie Baldenweck vom Büro bauchplan suchen nach einem Weg, wieder in eine positive Spirale zu finden. Mit der Präsentation dreier Projekte zeigten sie auf, wie intensiv sie sich mit der Wechselwirkung zwischen Nahrungsmittelproduktion und Stadtentwicklung auseinandersetzen. Ihren Glaubenssatz nehmen sie aus der mittelalterlichen Stadt, welche zu ihrem Umland eine starke Beziehung pflegte. Im Laufe der Industrialisierung und Globalisierung ging diese weitgehend verloren. Das Umland der Städte wurde weitgehend mit Discountern und Erschliessungsflächen versiegelt, finden die Referenten. Die Produktion von Nahrung sei weitgehend entkoppelt und die Kosten der Transportwege stünden in keiner Relation zu den Produktionskosten. Deshalb suchten sie nach Modellen, in denen städtische oder stadtnahe Landwirtschaftsparks die natürlichen Kreisläufe optimaler reflektierten. Wir wünschen, es bleibe nicht ein blosser Wunsch…..